Sein Name war Rowan Hale, ein 43-jähriger Fischer, abgehärtet durch Stürme, Einsamkeit und unerschütterliche Treue zu den wenigen, die er liebte.
Als Rowan 14 war, verschwand sein Vater, ein Decksmann auf einem Frachtschiff, auf See. Seine Leiche wurde nie gefunden – nur ein ramponierter, verbogener Messingkompass, den die Küstenwache geschickt hatte, erreichte sein Zuhause.
Der Morgen hatte normal begonnen: schwere Wolken, eine stetige Strömung, ab und zu das Kreischen von Möwen. Rowan steuerte das Boot in unbekannte Gewässer – die jüngsten Stürme hatten den Meeresboden dort stark verändert.
Als er die Netze herabließ, spürte er einen heftigen Ruck – als hätte sich etwas Enormes darunter verhakt.
Vorsichtig und mühsam zog er den Fund an Deck, ohne zu ahnen, dass er ihn zwingen würde, alles, was er über seine Familie und das Meer zu wissen glaubte, zu überdenken.
Im Inneren befanden sich weder Gold noch Knochen – nur ein Messingschlüssel mit kunstvoller Gravur, eingewickelt in ein trockenes, brüchiges Öltuch.
Unter dem Schlüssel lag eine runde Medaille – so groß wie eine Münze – mit dem Wappen der einst mächtigen Harrington Maritime Company, die Jahrzehnte zuvor nach dem mysteriösen Verschwinden eines ihrer Schiffe ihren Betrieb eingestellt hatte. Dieses Symbol verschlug Rowan buchstäblich den Atem: Sein Vater hatte auf einem Schiff dieser Reederei gedient.
Ein dünner Metallstreifen mit einer geprägten Nummer und Adresse lag daneben.
Rowan ging zum örtlichen Schifffahrtsmuseum, um den Kurator, den alten Alden, zu besuchen, einen Mann, der jede Legende der Küste kannte.
Alden erstarrte beim Anblick der Medaille. Er sagte, die Medaille gehöre zur Harrington Trident, einem Schiff, das 1993 unter seltsamen Umständen verschwunden war. Sein Kapitän, Elias Harrington, verschwand mit dem Boot spurlos und hinterließ nichts als Geheimnisse.
Spät am Abend erhielt Rowan eine Nachricht von einer unbekannten Nummer: „Halt dich aus den Angelegenheiten von Trident raus.“ Die Worte trafen ihn wie ein eisiger Wind. Jemand wusste bereits, was er gefunden hatte.
Trotz der Warnung beschloss er, am nächsten Morgen die Adresse auf dem Metallschild aufzusuchen – ein verlassenes Lagerhaus in der Nähe der alten Docks.
Die Tür war mit einer rostigen Kette und einem brüchigen Schloss gesichert. Rowan schob ein Brecheisen hindurch, hebelte die Kettenglieder auseinander und zwängte sich hinein. Die Stahltruhe war verschlossen, doch die Geschäftsbücher lagen verstreut auf dem Boden, Seiten herausgerissen und feucht. Jemand hatte nach etwas Wichtigem gesucht – und es nicht gefunden.
Rowan bemerkte eine vertraute runde Vertiefung im Deckel der Truhe. Das Medaillon passte hinein, als wäre es dafür gemacht.
Sobald er die Platte drehte, hörte er ein dumpfes metallisches Klicken – das Schloss gab nach. Er hatte schon nach dem Deckel gegriffen, als hinter ihm eine scharfe Stimme rief:
„Nur keine Eile.“ Rowan drehte sich um. Alden stand im Türrahmen. Sein Gesicht war blass, sein Blick misstrauisch und schwer. Er trat einen Schritt vor und sagte schwer atmend:
„Du arbeitest schnell … Ich habe das Medaillon sofort erkannt.“ Seine Augen blitzten gierig auf.
„Lass die Truhe in Ruhe, Rowan. Du weißt nicht, worauf du dich einlässt.“